Angehörige

Wie wirken sich Depressionen auf Angehörige aus

Oftmals fühlen sich Angehörige, die eng mit Depressiven zusammenleben, verunsichert. Einerseits weckt das depressive Leiden Mitgefühl, Anteilnahme und den Wunsch zu helfen, andererseits können stereotype Klagen auch ablehnende Gefühle wachrufen, insbesondere wenn sie in bittergereiztem Ton vorgebracht werden. Auch vergebliches Bemühen um Aufhellung der trostlosen Gemütsverfassung kann bei Partnern Gefühle ärgerlicher Hilflosigkeit auslösen; sie spüren, dass sie die Betroffenen "trotz guter Argumente" gefühlsmässig nicht erreichen. Da viele Depressive an quälendem Grübeln und an einer motorischen Gehemmtheit leiden, können Unterhaltungen schwierig und einsilbig verlaufen. Aufgrund ihrer starken Selbstverunsicherung meiden die Betroffenen Blickkontakt, reden leise und mit monotoner Stimme, wodurch sich die Angehörigen kalt behandelt oder sogar abgelehnt fühlen. Diese Kontaktschwierigkeiten können bei Angehörigen zu Selbstrechtfertigungen und Kritik am Depressiven, aber auch zu Schuldgefühlen, Überfürsorglichkeit sowie zu eigener Niedergeschlagenheit führen.

Trotzdem harren die meisten Partnerinnen und Partner bei Depressiven aus, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft lassen die vorhandenen Schwierigkeiten überwinden. Anders sieht es leider bei der manisch-depressiven Krankheit aus. Dort steigt die Scheidungsrate an und die Trennung erfolgt oftmals bereits nach der ersten manisch-erregten Phase. Während Depressionen also eher zu einem Stillstand in der Beziehung beitragen, werden Bindungen durch ihr Gegenstück, die Manie, häufig zerstört.

Was können Angehörige für die Erkrankten tun?
Am wichtigsten ist Verständnis für die Situation der Depressiven. Angehörige können helfen, dem depressiven Menschen eine Behandlung zukommen zu lassen. Dies kann z.B. bedeuten, die betroffene Person zur Annahme von fachärztlicher Hilfe zu ermutigen, an die regelmässige Medikamenteneinahme zu erinnern oder Hand für eine gemeinsame Therapie zu bieten. In Zeiten schwerer Bedrücktheit ist Unterstützung durch Geduld, Anteilnahme und Ermutigung eine wichtige Hilfe. Kritik und Abwertung sind möglichst zu vermeiden, da die Erkrankten meist sich selbst als versagende, schuldige und liebensunwerte Menschen sehen. Dem schwärzesten Pessimismus soll ein "und dennoch" entgegengehalten werden.

Auch wenn Betroffene auf die Ermutigungen ihrer Umgebung keine sichtbare Reaktion zeigen, darf man davon ausgehen, dass sie in ihrem Inneren die wohltuende Zuwendung schätzen. Die grösste Angst ist ja gerade, dass die anderen sie so negativ einschätzen wie sie sich selbst. Man soll sich vor Augen führen, dass Depressive sich nicht absichtlich ängstlich, klagsam oder verärgert verhalten, sondern momentan (noch) keine andere Möglichkeit besitzen. Die Depression darf nicht mit Willen- oder Disziplinlosigkeit verwechselt werden. Appelle an den Willen, sich anders zu verhalten, wirken entmutigend, da sie nicht erfüllt werden können und die Betroffenen in ihrem Versagergefühl bestätigen.

Auch Aufmunterungsversuche mit Hinweis auf die schönen Seiten des Lebens sind meist eher belastend als nützlich, da Erkrankte sich oftmals schämen, nicht 'normal' empfinden zu können. Vorübergehend kann es sich als notwendig erweisen, dass Angehörige Aufgaben und Entscheide übernehmen, um dadurch eine Entlastung herbeizuführen. Im Umgang soll versucht werden, einer depressiven Person (auch noch so kleine) Erfolgserlebnisse zu verschaffen, sie zu angenehmen Tätigkeiten zu ermutigen – ohne jedoch mehr als wohlwollend-sanften Druck auszuüben.

Angehörige können die Belastung einer Depression besser durchhalten, wenn sie sich selbst etwas Gutes tun, für seelischen Ausgleich sorgen und eigene Bedürfnisse nicht vernachlässigen. Austausch mit Freunden ist wichtig, aber manchmal nicht genügend; in solchen Fällen können Selbsthilfe- oder Angehörigen-Gruppen hilfreich sein. Wichtig kann auch eine umfassende und sachgerechte Unterstützung und Beratung durch eine Fachperson sein.

Aus der Website www.depression.unizh.ch, Klinische Forschung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Sektor Ost und zentrale Spezialangebote


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