Behandlungsformen

Depressionsbehandlung

Prof. Dr. med. Brigitte Woggon

Depressionsbehandlung nach neuestem Wissensstand bedeutet, dass ein oder mehrere nachgewiesenermassen wirksame Therapieverfahren zum richtigen Zeitpunkt und in richtiger Dosierung, Häufigkeit und Dauer angewendet werden.

Es gibt sieben Therapieverfahren, deren Wirksamkeit gegen Depressionen oder zumindest gegen bestimmte Depressionsformen nach den heute geltenden wissenschaftlichen Kriterien nachgewiesen worden ist. 'Wirksam' bedeutet, dass das Verfahren allein, also ohne gleichzeitigen Einsatz anderer Methoden, in der Lage ist, eine relevante Besserung zu erzielen.

Diese sieben antidepressiv wirksamen Verfahren lassen sich (etwas willkürlich anmutend) einteilen in biologische (Lichttherapie, Schlafentzug, Psychopharmaka, Elektroschock) und nichtbiologische (Verhaltenstherapie, kognitive und interpersonelle Gesprächstherapie) Behandlungsmethoden. Man kann aber auch eine Rangreihe bilden entsprechend der Wirksamkeit bei leichten bis schweren/sehr schweren Depressionen: kognitive und interpersonelle Gesprächstherapie, Lichttherapie, Verhaltenstherapie, Schlafentzug, Psychopharmaka, Elektrokrampfbehandlung.

Leichte Depressionen, die also keine oder noch keine sozialen Konsequenzen (Beziehungsstörung, Leistungsstörung, Suizidalität) aufweisen, können auf kognitive oder interpersonelle Gesprächstherapie allein ansprechen. Wichtig ist bei diesem Vorgehen, nicht zu lange zu warten, bis man sich bei Nichtansprechen für eine zusätzliche medikamentöse Behandlung entscheidet (12-16 Wochen!).

Lichttherapie wird bei saisonalen Depressionen, die im Herbst und Winter beginnen, eingesetzt. Verhaltenstherapie ist vor allem gegen Ängste und Zwangssymptome wirksam. Schlafentzug wird bei leichten bis mittelgradigen Depressionen verwendet, insbesondere bei solchen mit kurzer Dauer, zum Beispiel beim prämenstruellen Syndrom (PMS).

Bei mittel bis stark ausgeprägten Depressionen, also sobald sich soziale Konsequenzen entwickeln, sind Antidepressiva allein oder in Kombination mit anderen Psychopharmaka indiziert. Je früher man sich zu einer richtig dosierten Antidepressiva-Behandlung entschliesst, um so eher kann eine Besserung erzielt werden.

Sehr schwere Depressionen, die nicht auf Psychopharmaka ansprechen, werden in Kurznarkose mit Elektroschock behandelt.

Die wirksamen Therapieformen können alle miteinander kombiniert werden, so dass sich Kombinationsbehandlungen von unterschiedlicher Komplexität ergeben.

Ausser den erwähnten Therapien gibt es noch andere Behandlungen, die für sich allein zwar nicht wirksam gegen Depressionen sind, sich aber als Zusatztherapie bewährt haben: zum Beispiel körperbezogene Therapien, Beschäftigungstherapien, Sportarten wie Joggen, Tanzen und Schwimmen. Auch für den Einsatz der Zusatztherapien muss der richtige Zeitpunkt gewählt werden. Ein schwer antriebsgehemmter depressiver Patient, der nicht aus dem Bett aufstehen kann, kann natürlich nicht joggen. Diese Verordnung nützt nicht nur nichts, sondern sie kann durch das erlebte Versagen eine momentane Verschlechterung bewirken.

Eine Behandlung nach neuestem Wissensstand bietet sehr viele Möglichkeiten. Setzt man diese patientenzentriert und massgeschneidert ein, so ist es extrem selten, dass eine Depression therapieresistent ist oder bleibt.

Aus: Depressionsbehandlung nach neuestem Wissensstand.
In: Journal für ambulante Psychiatrie 1/2001 Seite 7.


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