Lebensberichte

Mein Kampf mit der psychischen Krankheit

Monika Z., Betroffene

Erste psychische Krise und meine Ursprungsfamilie

Ich bin das vierte von fünf Kindern. Meine Eltern sind Akademiker, mein Vater war 25 Jahre lang Chefarzt der Chirurgie eines Spitals. Zwei meiner älteren Geschwister machten ebenfalls Matura und studierten. Eine ältere Schwester ist geistig behindert, dann folgt noch ein jüngerer Bruder.

Ich sei ein aufgewecktes, phantasievolles, intelligentes und lebhaftes Kind gewesen, das dem Vater sehr gefiel. Im Verborgenen war ich ehrgeizig und stolz, aber in erster Linie kameradschaftlich, gesellig und hilfsbereit. Dieser kurze Beschrieb mag verdeutlichen, dass mit dieser Konstellation Misserfolge in der Schule zu Problemen führen müssen. Die Erwartungen waren hoch gesteckt. Von mir selber und von meinem Vater verstärkt, bei dem ich immer wieder Anerkennung suchte. Vater verbarg seinen Gefallen an mir, da er fürchtete, er könnte meine Geschwister benachteiligen. Die Misserfolge in der Schule ergaben sich durch eine spät erkannte Legasthenie. In der zweiten Bezirksschule wurde ich in den schulpsychologischen Dienst geschickt, wo eine schwere Legasthenie und Depression festgestellt wurde. Ich heulte vor Erleichterung, als das Kind beim Namen benannt wurde. Die Angst, ich sei nicht normal, schwand. Mir wurde gesagt, ich sei überdurchschnittlich intelligent, und es sei ein Wunder, wie ich mit dieser Legasthenie in die Bezirksschule gekommen sei. Das tat mir gut, aber es genügte nicht, die Depressionen wegzublasen. Ich ging in eine wenig wirksame Legasthenie-Therapie, die wenigstens menschlich war, aber meinen Stundenplan zusätzlich belastete. Mit zunehmenden Schwierigkeiten entwickelte ich auch noch einen Perfektionismus, der zum Teil von der Schule ausgelöst wurde. Dort wurde immer mehr gefordert, als man leistete, und ich sagte mir: Je mehr ich übe und je mehr ich mich anstrenge, um so besser. Mein Leben war ausgefüllt mit der Sorge um meine Leistungen, die zu einer Überlebensfrage geworden waren.

Die Depression blieb unbehandelt, da meine Eltern dies nicht glauben konnten. In der Familie waren Depressionen nicht bekannt. Ich isolierte mich zusehends. Im Glauben fand ich keinen Halt mehr, da der Katholizismus, in dem ich aufwuchs, für mich nicht mehr glaubwürdig war. Ich erlebte ihn als verlogen und falsch, was ich als grundsätzlich religiöser Mensch nicht vertrug. Da ich katholische Klosterschulen besuchte und oft an Gottesdiensten teilnehmen musste, wurde auch der Glaubenskonflikt verstärkt.

Ich hatte den Eindruck, mein Vater sei an meinen Schwierigkeiten schuld. Er hatte auch das Talent, mich zu demütigen, obwohl er das nicht wollte. Wenn ich ihm einen Brief schrieb, beanstandete er meine orthographischen Fehler, ohne auf den Inhalt einzugehen. Er hat nicht viele Briefe von mir erhalten. Auch sonst störte er sich an Äußerlichkeiten, wie zum Beispiel an meinen Haaren, die mir gerade vom Kopf weg wuchsen, dass ich wie Jimmy Hendrix aussah, und die ich nicht zähmen konnte, oder er kritisierte meine Kleider. Dies verletzte mich und vermittelte mir das Gefühl, ich sei nicht in Ordnung, so wie ich war. Er wischte meine Sorgen immer unter den Tisch und bagatellisierte sie. Ich wurde gemahnt, mich nicht so wichtig und das Leben leichter zu nehmen. Ich machte mir Sorgen wegen der Umweltverschmutzung, der Nord-Süd Problematik und fühlte mich mitschuldig. Meine Eltern behaupteten immer, das sei doch übertrieben, das sei doch nicht so schlimm. Dies verstärkte meine Sorgen und verminderte mein Vertrauen in die Eltern.

Ich besuchte das Lehrerinnenseminar in einer Klosterschule. Mit der Zeit war der Musikunterricht für mich nicht mehr so gut, und ich hatte eine Mathematiklehrerin, die mich plagte. Ich entwickelte Suizidgedanken und Selbsthass. Zu meiner Mutter hatte ich immer eine gute Beziehung. Sie konnte sich gut einfühlen. Ich telefonierte ihr aus dem Internat und sagte, dass ich nicht mehr garantieren könne für das, was ich tue. Sie spürte meine Not, und am anderen Tag holte sie mich ab. Ausser ihr zeigte zu Hause niemand Verständnis für mein Tun.

Die Familie überzeugte mich, dass das Seminar mir eine solide Ausbildung und Möglichkeiten für verschiedene Berufe bringen würde. Also war ich bereit, wieder einzusteigen. Diesmal an einer anderen Klosterschule, wo ich extern bei der Familie eines Onkels wohnen konnte, und wo ich im Dorf im Jugendorchester mitspielte, was mir alles bedeutete. Auch an dieser Schule gab es Lehrerinnen, von denen ich mich geplagt fühlte. Meine Ziel-Leistungs-Vorstellungen hinterfragte ich nie. Ich wusste nicht, dass ich meine Ziele viel zu hoch steckte, und dass ich mir damit das Leben schwer machte.


Die erste Krise und fürsorgerischer Freiheitsentzug

Wir standen vor dem Unterseminarabschluss. Ich hatte Schlafstörungen und behauptete, wenn man gründlich gähne, sich räkele und strecke, hätte das den Erholungswert von einer Stunde Schlaf. Mein Onkel erkannte, dass es mir nicht mehr gut ging und formulierte: Sie braucht einen Psychiater. Warum ich nicht schon früher in eine gute Psychotherapie ging, hing wesentlich damit zusammen, dass sich mein Vater immer wieder über sie lustig machte und sie nicht anerkannte. Die Tante meinte, man solle warten, bis die Prüfungen vorbei seien, dann lege sich das wieder.

Mit der ganzen Familie war eine Kreuzfahrt geplant und bezahlt und mein Vater erkannte, dass ich so nicht mitkommen konnte. Vater erkundigte sich bei einem Psychiater nach einer guten Klinik. Anderntags nahm er mich ins Auto, und ich meinte, wir führen zu seinen Patienten, die ich mit Handauflegen heilen würde: Dann werde man nicht mehr operieren müssen. Ich hatte immer noch unglaubliche Kräfte und war gleichzeitig ein rohes Ei ohne Schale und Haut, ein Nichts.

Vater fuhr mit mir in die Klinik. Dort musste ich warten, während er mit dem Chefarzt sprach. Dann wurde ich in Gegenwart meines Vaters befragt. Ich versuchte, den Spiess umzudrehen, und sagte, der Arzt sei mein Vater und nicht der, der mich hier abgeben wolle, sie sollten ihn hier behalten. Sie versuchten, mich mit Überreden dazubehalten, aber ich war nicht einverstanden. Drei bis vier Erwachsene waren nötig, um mich auf die geschlossene Abteilung zu bringen, weil ich mich derart zur Wehr setzte.


Erste Klinik-Erfahrungen mit Medikation

Damals war klar: Ich wollte keine Medikamente! Da ich Medikamente entschieden verweigerte, wurde ich zwangsmedikamentiert. Mit dem Medikament soll die Spannung und Angst abgebaut werden. Dies setzt voraus, dass der Betroffene bereit ist, etwas auf sich zu nehmen, dass er Krankheitseinsicht hat, was nicht immer einfach ist.

Bald einmal kam mir der Gedanke: Bei mir kann ich etwas ändern, nicht bei allen andern, die für mich eine unüberwindliche Übermacht sind. Wenn ich überleben will, muss ich kooperieren. So schluckte ich Unmengen von Medikamenten, weil ich keine andere Wahl hatte. Ich kann mich an die Zahl von 12 Tabletten pro Mahlzeit erinnern, obwohl mein Hauptanliegen war, die riesige Dosis so bald wie möglich zu reduzieren. Meine Krankheit und mein Leiden sah ich vor allem in den Wirkungen und Nebenwirkungen dieser Medikamente wie Übelkeit, Mundtrockenheit, Sonnenempfindlichkeit und alle Symptome, die eine Depression mit sich bringt: Antriebslosigkeit, Interesselosigkeit, Sinnlosigkeit, Freudlosigkeit, Lebensunlust, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, ständiges Schlafbedürfnis, Rückenschmerzen und vielleicht noch anderes mehr. Ich hätte die Tabletten auch im Mund behalten, auf die Toilette gehen und sie dort ausspucken können. Das habe ich aber nie gemacht. Irgendwie hoffte ich doch, dass das Zeug auch helfe.


Wieder zu Hause

Nach dem ersten Klinikaufenthalt wurde ich von meinen Eltern abgeholt. Meine Aufgabe bestand darin, den Alltag zu bewältigen und Wege in eine befriedigende Zukunft zu finden. Da ich mit über 20 Jahren als Kind bei meinen Eltern lebte, keinen eigenen Freundeskreis und keine eigenen Beziehungen hatte, war ich ganz von ihnen abhängig, was mir unangenehm war. Ich wünschte mir eine möglichst schnelle materielle Unabhängigkeit, von der ich meilenweit entfernt war - ich war dazu erzogen, dass man die öffentliche Hand nicht beansprucht. Die einfachsten Handlungen waren eine Riesenanstrengung, zum Beispiel Aufstehen und Anziehen. Meine Mutter drängte mich, auf Spaziergänge mitzukommen. Ich kam nur langsam vorwärts und wollte bei jedem Bänklein absitzen. Meinen Vater vertrug ich sehr schlecht. Ich sass nicht gerne mit ihm am gleichen Tisch. Da er aber während seines aktiven Berufslebens nur sehr selten zu Hause war, ging es irgendwie. Wenn ich versuchte, für mich herauszufinden, was mich denn genau an ihm so ärgerte, konnte ich das kaum begründen. Natürlich wäre ich gerne auch so leistungsfähig, erfolgreich und belastbar gewesen wie er. Für ihn war es nicht verständlich, warum ich ihm gegenüber so gereizt und unverträglich war. Es ist mir auch nicht in den Sinn gekommen, den Psychiater zu wechseln, der ein Bekannter meiner Eltern war, mir aber nicht behagte. Schliesslich zahlten die Eltern den Selbstbehalt. Ich ging möglichst nicht zu ihm und sagte meinen Eltern endlich, dass es mir bei ihm nicht passe.

Bald schon erwarteten die Eltern, dass ich nicht einfach untätig zu Hause herumhing, und mein Vater meinte, ich könne als Schwesternhilfe im Spital arbeiten. Da er selber in seinen strengen Zeiten etwa 120 Stunden in der Woche arbeitete, fand er eine 100 %-Stelle als Schwesternhilfe angemessen - das dürfe man von mir erwarten. Ich ging jetzt ambulant zu einem anderen Psychiater. Er erklärte meinem Vater, dass es für mich absolut unmöglich sei, so eine Stelle zu bewältigen. Mit Hilfe des vegetativen Nerventests führte er mir vor Augen, dass ich an einer nachweisbaren Krankheit litt und nicht einfach zu faul war und mir etwas einbildete. Mein Vater befürchtete, dass ich an einer Demenz litt und langsam aber sicher verdumme, was er einmal bei einem Psychiater äusserte. Diese Äusserung von ihm vermochte wieder all meine Wut und Empörung auf ihn zu wecken, aber ich versuchte immer wieder, diese Gefühle zu ergründen und abzubauen.


Die Ausbildung für eine befriedigende Zukunft

Langsam erholte ich mich, ging in die Berufsberatung, arbeitete als Schwesternhilfe und bewarb mich an einer Physiotherapieschule. Da mir mein Psychiater strengstens davon abriet, auch nur ein Sterbenswörtchen über meine psychischen Beschwerden bei meiner Bewerbung laut werden zu lassen, fand ich, ich könne frei erfinden, was ich für Fähigkeiten hätte und diese für den Physiotherapeuten-Beruf massschneidern. So wurde ich aufgenommen. Mit einigen Schwierigkeiten und unter Medikamenten schaffte ich die Schule mit Abschlussdiplom, welches ich nach vier Jahren Ausbildung am Praktikumsort einer psychiatrischen Klinik mit Bestnoten bestand. Heute habe ich Freude und bin stolz auf diese Leistung, aber damals war ich einfach froh, dass ich es überstanden hatte. Ich wollte etwas Wichtiges und Grosses werden und wollte meinem Vater zeigen, wozu ich fähig war. Ich meinte immer, etwas gutmachen oder verbessern zu müssen, den Schandfleck Klinik auszugleichen, ihn zu erklären und zu begründen, zu beweisen, dass ich eigentlich gesund war, und dass es ein Irrtum und eine grosse Ungerechtigkeit war, mich krank zu schreiben.

Alles was ich leistete, genügte mir nicht. In all den Jahren nach dem ersten Klinikaufenthalt, während denen ich dann auch wieder recht gut funktionierte, lebte ich wie durch eine Wand. Wie aus zweiter Hand. Ich schrieb das dem Medikament zu, obwohl ich nur eine kleine Dosis nahm. Dieses beschattete Leben-aus-zweiter-Hand befriedigte mich nicht.

Ich hatte einen Beruf erlernt und erwarb meinen Lebensunterhalt selber, was ein erklärtes Ziel war, aber dieses Lebensgefühl war für mich kein Leben. Nach der Ausbildung fand ich keine Stelle, wo ich mich wohl fühlte. Mein Freund hatte mich verlassen, und ich hatte keine Energie mehr. Jetzt lernte ich meinen Mann kennen, der Lehrer war, auf einem Bauernhof wohnte und verschiedene Tiere hatte. Ich half ihm mit seinen Tieren. Dies tat ich sehr gerne. Wir heirateten bald. Ich war sehr glücklich und setzte mit psychiatrischem Einverständnis das Medikament ab. Ich hatte erreicht, was ich wollte.

Meine Lebenssituation war so, dass ich fand, die krankmachende Situation sei jetzt Vergangenheit und damit sei auch meine Krankheit vorbei. Es kam anders. Dieser Lebensabschnitt wurde für mich zu einer wichtigen Erfahrung, denn durch ihn erkannte ich später, wie viel mir die Medikamente halfen.


Die zweite psychische Krise

Die Krankheit hatte sich schon voll entwickelt. Ich konnte nicht mehr schlafen. Ich hatte keinen Hunger mehr und nahm schnell Gewicht ab. Ich war ruhelos und litt unter Verfolgungswahn. Unsichtbare böse Mächte verfolgten mich. Ich meinte, alle könnten sich nur noch in Zeitlupe bewegen, und dass vielleicht der jüngste Tag mit dem Endgericht da war. Nachts legte ich in der ganzen Wohnung Gegenstände zu Dreier- und Vierergruppen zusammen. Ich beschwor damit die guten Geister, mir zu helfen.

Anderntags holte mich meine Schwägerin ab. Ich wusste, dass ich in die Klinik gebracht wurde. Bei der Aufnahme hatte ich das deutliche Gefühl, dass sich langsam aber sicher eine Schlinge um mich zuzog. Nach dem Aufnahmegespräch wurde ich in den Wachsaal auf der geschlossenen Abteilung in eine Einzelzelle mit vergitterten Fenstern gesperrt. Dort bekam ich in Abständen von je einer halben Stunde drei Mal eine Spritze. Ich hatte so riesige Angst, diese Spritzen könnten mir schaden, dass ich bei der zweiten Spritze einer Lernschwester, die sie mir geben wollte, eine schallende Ohrfeige knallte. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber das Gefühl, wenn das Medikament einfährt, ist sehr bedrohlich: absolut keinen Halt und keine Sicherheit mehr. Die Welt bricht zusammen. Ich meinte, wirklich sterben zu müssen.

Ich war allein und in der Zelle brannte ein unangenehmes, grünes Licht. Ich stand am Fenster und sah die bezaubernde Stadt in der Nacht. Gleichzeitig spiegelte ich mich in der Glasscheibe. Dann sperrte ich den Mund auf, riesig gross, sodass es aussah, als ob die ganze Stadt darin Platz hätte, und ich diese verschlänge. Ich war grössenwahnsinnig und meinte, das Schicksal dieser Stadt hinge von mir ab.

Ich war einige Tage im Wachsaal, und dann kam ich auf die offene Abteilung. Meine Eltern besuchten mich, ich war froh sie zu sehen, aber ich fühlte mich von Tag zu Tag schlechter. Die Umgebung war gegenteiliger Meinung. Sie sagten, es gehe mir viel besser. Ich war meist untätig. Ich war auch nicht zufrieden mit dem Therapieangebot. Ich hätte eine gute Psychotherapie gewünscht. Es gab nette Therapeuten und Patienten. Es gab aber auch junge Psychiatriepfleger, die wenig Einfühlung zeigten und einfach ihren Job erledigten. Es gab solche, die das Gefühl, man sei ein minderwertiger Mensch, in einem verstärken konnten. Auch Widerstand braucht Kraft, und die hatte ich nicht. In allen Aufenthaltsräumen hatte es einen Fernseher, oder es wurde geraucht. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, und zog mich am liebsten in mein Bett zurück. Ich schämte mich zutiefst für meinen Zustand, fand aber in keinem Winkel Kraft, ihn zu ändern. Es gab gute Beschäftigungs- und Bewegungstherapien, aber mir war alles zu mühsam. Es engagierte sich niemand speziell für mich. Warum auch? Wichtig war, dass ich begann, mich für mich selbst zu interessieren. Die Klinik wurde für mich so zu einem Wartesaal.


Nach der Klinik

Nach etwa vier bis fünf Monaten hatte mein Mann Sommerferien, und ich wollte fünf Wochen nach Hause. Von der Klinik aus war das nicht möglich, weil sie mein Bett für mich nur während dreier Wochen frei halten durften, und ich musste auf eigene Verantwortung einen Austritt unterschreiben. Durch den zweiten Klinikaufenthalt bekam ich ein Medikament, das in mir kein verfremdetes Lebensgefühl mehr erzeugte.

Durch die Krankheit habe ich sehr viele Erfahrungen gemacht, die heute im zwischenmenschlichen Bereich und im Besonderen in der Selbsthilfegruppe wertvoll sind. So kann ich ehrlich sagen: Wenn es mir gut geht, habe ich keine Probleme mit dieser Krankheit. Sobald es mir schlechter geht, beginne ich zu klagen, zu hadern und Gründe und Schuldige für meine Krankheit zu suchen, wenn meine Hilfsmittel, die ich mir im Verlaufe der Jahre angeeignet habe, nichts nützen. Mit langjähriger Psychotherapie habe ich eingesehen, dass mir Perfektionismus schadet, dass es mir gut tut, Komplimente anzunehmen statt sie zurückzuweisen, und mich an Gelungenem in meinem Alltag zu freuen und nicht ständig zu kritisieren, es könnte eigentlich noch besser sein, wenn...

Ich habe gelernt, dass alles, was ich selber aktiv für meine Gesundheit tue, wertvoll ist, zum Beispiel Singen, Reiten, Brotbacken, Schreiben und Anderes mehr. Wichtig ist ein gutes Mass, kein Leistungsdruck oder Stress, der durch Gedankenlosigkeit zustande kommt, konsequente, zuverlässige Einnahme der Medikamente, in meinem Fall mit einem zusätzlichen homöopathischen Mittel, und genügend Schlaf. Ich habe akzeptiert, dass ich unter einer chronischen Krankheit leide, mich manchmal bewusst einschränken muss und mich oft zurückziehe, um genügend Ruhe zu haben. Trotzdem, finde ich, habe ich eine sehr gute Lebensqualität mit meinem Mann und unserem Sohn. Ich erlebe, dass ich mit und durch das Leiden sehr gesunde Anteile in mir ausgebildet habe und noch weiter stärke. Ich glaube nicht, dass diese Krankheit definitiv unheilbar ist, wenn Raum für die Möglichkeit einer Heilung geschaffen wird, ohne dass dabei der Boden der Realität verloren geht.


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