Krankheitsbild

Einführung

Dieter Gränicher, Filmemacher

Wir alle kennen seelische Verstimmungen, Unwohlsein, Durchhänger und Trauer. In der Umgangssprache sagt man schnell einmal, ich bin "depro". Doch die Krankheit Depression hat qualitativ eine andere Dimension, die mit dem alltäglichen Auf und Ab nur begrenzt vergleichbar ist. Betroffene sind in einem hohen Ausmass von Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit, Interesselosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Mangel an Selbstvertrauen, Schuldgefühlen, einem Gefühl der inneren Leere, Ängsten, Schlafstörungen und zuweilen von Wahnvorstellungen betroffen. "Ich kann nicht mehr wollen", ist ein zentraler Satz für depressiv leidende Menschen.

Es ist beeindruckend zu sehen, wie Betroffene manchmal lange Zeit verzweifelt gegen ihre depressiven Gefühle ankämpfen, sich in massiven Selbstvorwürfen noch zusätzlich belasten, um schliesslich trotzdem vor der Krankheit "kapitulieren" zu müssen. Häufig führt erst ein Klinikeintritt dazu, dass dieses seelische Leiden als Krankheit und nicht als persönliches Versagen wahrgenommen wird. Betroffene brauchen tatkräftige Hilfe von aussen und sind häufig gezwungen, sich aus dem Berufs- und Alltagsleben zurückzuziehen.

Diagnose und Behandlung erweisen sich oft als schwierig. Es kann lange dauern, bis eine adäquate Behandlungsmethode gefunden wird, da depressive Erscheinungsformen eine Unzahl von Ausprägungen haben. Bei jedem Menschen äussern sie sich anders; eine Behandlung, auf die eine Person gut anspricht, kann bei einer anderen wirkungslos sein. Häufig bietet die medikamentöse Therapie mit Psychopharmaka (Antidepressiva) erst wieder die Möglichkeit, aus dem Stillstand aufzutauchen und das eigene Leben aktiver angehen zu können. Psychotherapien und weitere Behandlungsformen sind ebenso wichtig und tragen dazu bei, den Alltag wieder strukturieren, bewältigen und das Depressive besser verstehen zu können.

Die Krankheit hat häufig (aber nicht immer) einen erkennbaren Auslöser. Viele seelische Störungen und psychische Belastungen - Verluste, Tod eines geliebten Menschen, starke Lebensveränderungen, Stress - können in schwere Depressionen münden. Ob ein Betroffener aber erkrankt, hat viele Ursachen: Biochemische Vorgänge, persönliche Dispositionen und lebensgeschichtliche Prägungen sowie auch die soziale Verankerung des Betroffenen spielen eine Rolle. Fast alle Fachleute sind sich aber einig, dass man noch sehr wenig über die tieferliegenden Ursachen der Depressionen weiss. Es scheint, dass eine Vielzahl von Faktoren auf einen Patienten einwirken, deren genaues Zusammenspiel aber heute noch nicht erkannt werden kann.


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