Krankheitsbild

Diagnose Depression

Bronislaw K., Betroffener

Ich hatte immer das Problem wegen meinem Alkoholkonsum. Aus diesem Grund sprach ich auch meinen damaligen Hausarzt an. Er wusste leider nicht, wie er diese Thema angehen sollte.

Daraufhin suchte ich drei Psychiater bzw. Psychologen auf, um von der Alkoholsucht wegzukommen. Nie war da die Sprache von Depression, obwohl ich schon damals starke Anzeichen hatte. Ich selber kannte die Krankheit Depression nicht.

Um das Problem Alkohol aus eigener Initiative nochmals anzugehen, meldete ich mich in der Forel-Klinik für einen Kurzzeitaufenthalt von sechs Wochen an. Wieder war nie die Rede von Depression. Kaum aus der Klinik entlassen, wurden die Abstürze massiver. Zwischendurch hatte ich immer wieder Kontakt mit der Fachstelle für Alkoholprobleme in Winterthur. Nach einem Alkohol-Absturz meldete ich mich verzweifelt bei der Fachstelle. Ich weiss noch, es war schon Abend, und trotzdem konnte ich noch hingehen. Ich sagte im Verlauf des Gespräches mit der Therapeutin, dass ich jetzt am liebsten hier rausginge, und dass mich jemand erschiesst. Das Leben war mir so zuwider. Die Therapeutin wusste jetzt nicht mehr weiter und setzte sich mit dem Leiter der Fachstelle in Verbindung, und er lieferte mich kurzerhand per Fürsorglichen Freiheits-Entzug in die Klinik Rheinau ein. Grund: Suizidgefahr. Und so fand ich mich binnen Stunden in der geschlossenen Abteilung der Klinik Rheinau wieder.

Während der ersten zehn Tage der totalen Isolation von der Aussenwelt hatte ich keine therapeutischen Gespräche, so dass ich nicht einmal genau wusste, warum ich mich in der Klinik befand. Suizidgefahr war die etwas unklare Antwort. Erst nach rund vier Wochen meines halbjährigen Aufenthaltes in der Klinik Rheinau wurde das Thema Depression, jetzt in wöchentlichen Abständen, Therapiegegenstand. Jetzt wusste ich endlich, um was für eine „Krankheit“ es sich bei mir handelte.

Ich habe aber auch dies lange nicht akzeptieren können. Ich, der alles kann und überall der Beste ist, sollte Depressionen haben. Heute weiss ich, dass ich für Depressionen anfällig bin, und kann es auch akzeptieren.

Depression ist für mich immer noch etwas, das mich immer wieder in meinem ganzen Wesen behindert. Ich denke manchmal, dass ich wegen der Depression nie ein glückliches und lebensfrohes Leben führen kann. Und das macht mich, wenn ich mir dessen bewusst bin, traurig.

Für mich war es am Anfang halt so eine Art Krankheit, die man heilen kann. Aber ich glaube heute nicht mehr daran. Immer wieder wird mich diese Depression einholen. Und davor habe ich oft Angst.

Oft habe ich meine schlechte Laune auf die Depression zurück geführt. Aber ich glaube unterscheiden zu müssen, dass schlechte Laune nicht auch immer Depression ist.

Ich wünschte mir einmal ein leichtes, sorgenloses Leben führen zu können. Und dies scheint mir im jetzigen Moment nicht möglich. Irgendwie habe ich immer ein dumpfes Gefühl im Bauch, das mich manchmal auch in meiner Kreativität, die ich unbedingt ausleben muss, hindert.

Wenn ich mir das so überlege, habe ich mich noch nicht mit meiner Krankheit Depression abfinden können. Und ich habe auch kein Rezept gefunden, mich davor zu schützen. Irgendwie fühle ich mich auch als zweitrangiger Mensch gegenüber Menschen, die die Depression nicht kennen. Und das macht es mir vielleicht auch schwieriger, mit meiner Situation umzugehen.

Am schlimmsten finde ich diesen lähmenden Zustand. Er ist fast unerträglich, weil ich mich dann irgendwie eingeengt fühle, und ich das lebendige Leben bei meinen Mitmenschen mit ansehen muss. Am liebsten würde ich mich dann verkriechen und mit keinem Menschen etwas zu tun haben.

Die Diagnose Depression ist für mich irgendwie unheimlich, denn ich fühle mich völlig ausgeliefert. Vor allem, da ich ein Mensch bin, der sich und alles um sich herum im Griff haben will. Und das funktioniert dann nicht mehr.


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