Selbsthilfe

Hilfe zur Selbsthilfe

Eveline H., Betroffene

Ich habe im Text "Rückblick auf mein Leben" (siehe Lebensberichte) meinen ganzen Kampf mit der Depression beschrieben. Ich möchte hier zusammenfassend einige Punkte aufzeigen, durch die ich meinen Weg gefunden habe. So hoffe ich von ganzem Herzen, dass sie auch Ihnen helfen werden:

  • Wenn Sie bei sich Anzeichen einer Depression erkennen, nehmen Sie sie auf jeden Fall ernst. Vertrauen Sie sich Ihrem Arzt an. Geben Sie nicht gleich auf, wenn der erste Arzt oder Psychiater nicht der richtige für Sie ist. Suchen Sie weiter, denn es ist ganz wichtig, dass Sie Ihrem Arzt voll und ganz vertrauen können.
  • Wir brauchen Mut, Hilfe und Trost, um den Aufstieg zu schaffen. Wir müssen hart daran arbeiten. Wir brauchen unbedingt jemandem, mit dem wir reden können, der uns versteht. Es müssen nicht viele Leute sein. Lieber weniger, dafür tiefgründige und einfühlsame Menschen. Menschen, die Sie bedingungslos annehmen und bereit sind, mit Ihnen zu gehen und Ihren Kampf gemeinsam durchzustehen.
  • Klären Sie alle möglichen Therapien ab, zum Beispiel Gesprächstherapie, Akupunktur, Homöopathie, Kunsttherapie, Beschäftigungstherapie, Verhaltenstherapie, Psychopharmaka usw.
  • Wenn Sie sich einer stationären Behandlung unterziehen müssen, fragen Sie Ihren Arzt, wie es in der zuständigen Klinik vor sich geht. Ein stationärer Aufenthalt scheint vielleicht eine drastische Massnahme, aber die tägliche Routine und die Tatsache, keine Verantwortung tragen zu müssen, können sehr beruhigend sein.
  • Ich bin der Meinung, dass man eine schwere Depression ohne Medikamente nicht heilen kann. Medikamente lösen zwar keine Probleme, dienen aber wie Krücken; sie können die Voraussetzungen dafür schaffen, dass man seine Probleme angehen und lösen kann.
  • Auch wenn es noch so schwer ist: Versuchen Sie, Ihre Situation zu akzeptieren. Das ist ein sehr sehr schwieriger, aber auch sehr grosser Schritt. Ich würde sogar sagen, der schwierigste aber wichtigste überhaupt. Wir können die Krankheit nicht abschütteln, sie ist da. Wir müssen versuchen, damit umzugehen.
  • Haben Sie Geduld. Auch das ist unheimlich schwierig. Wie soll man Geduld haben, wenn sich nie eine Besserung abzeichnet? Aber denken Sie daran: Es ist eine ernste Krankheit, aber die Aussicht auf Heilung ist nicht hoffnungslos. Doch der Aufstieg kostet viel viel Zeit und Mühe.
  • Denken Sie nicht, die Welt wäre besser dran, wenn Sie tot wären. Diejenigen um Sie herum, von denen Sie annehmen, dass sie froh wären, wenn sie uns los wären, würden in Wirklichkeit für den Rest ihres Lebens stark unter unserem Tod leiden.
  • Machen Sie sich nicht noch selbst fertig. Denken Sie immer, dass Sie gut genug sind. Man macht die Arbeit, die man überhaupt noch machen kann, vielleicht nicht so gut, wie man es unter gesunden Umständen könnte, aber es ist gut genug! Versuchen Sie, sich auf das tägliche Leben zu konzentrieren. Machen Sie nur das, was wirklich geht. Menschen, die mit Ihnen fühlen, werden auch verstehen, dass der Haushalt nicht gemacht oder die Wohnung nicht geputzt werden konnte.
  • Gönnen Sie sich Ruhe und Zeit für sich selbst.
  • Seien Sie nett zu sich selbst. Ich weiss, wenn man mitten in der Depression steckt, fällt es einem sehr schwer, nett zu sich selbst zu sein. Man neigt dazu, sich selbst abzuwerten, seine negativen Eigenschaften hervorzuheben, aber versuchen Sie, sich selbst Gutes zu tun.
  • Ein Weg von vielen tausend Kilometern beginnt mit einem ersten Schritt. Beginnen Sie mit ganz kleinen Schritten. Kochen Sie sich einen Tee, nehmen Sie sich ein Bad oder ähnliches. Wenn Sie fähig sind, das Haus zu verlassen, machen Sie einen Spaziergang. Ein anderes Umfeld, die frische Luft und die Bewegung werden Ihnen gut tun. Es ist wichtig, wenn möglich, etwas zu tun. Auch wenn es nur etwas ganz Belangloses ist. Wenn man sich einfach nur hinsetzt und darauf wartet, dass endlich alles besser wird, dann kann man lange warten. Darum müssen wir anfangen, irgend etwas zu tun. Mit einem kleinen Schritt. Mit nur einer einzigen Sache. Auch wenn es einem langsam vorkommt, sollte man immer nur eine Sache nach der anderen in Angriff nehmen.
  • Versuchen Sie, kreativ zu sein. Malen oder schreiben Sie Ihre Gefühle und Gedanken auf.
  • Ich weiss, sehr oft geht gar nichts mehr. Man kann nur noch im Bett liegen und hoffen, dass die Zeit vorbeigeht. Versuchen Sie in diesen Momenten, die nächsten fünf Minuten zu überstehen und dann die nächsten und nächsten... Wenn Sie diese fünf Minuten überstanden haben, sagen Sie sich selbst, wie gut Sie das gemacht haben. Man kann sich in diesen Momenten nur sagen: Ich habe es geschafft, ich habe den Tag überlebt. Ich weiss, das ist schrecklich, aber in solche Phasen geht es nicht anders. Rein das Überleben braucht unheimlich viel Kraft.
  • Wir müssen verstehen lernen, was uns unsere Schmerzen mitteilen wollen. Die Depression will uns sagen, dass wir unsere Lebensweise oder etwas in unserem Leben ändern sollen. Es ist schwierig, eine Veränderung ins Auge zu fassen. Sie zu planen, während wir gerade die Schmerzen der Depression durchleiden, ist fast unmöglich. Aber wenn wir den Aufstieg ernsthaft schaffen wollen, müssen wir uns verändern.
  • Hören Sie auf Ihr inneres Kind. Hören Sie auf Ihre Bedürfnisse. Es geht darum herauszufinden, was einem persönlich hilft.
  • Schreiben Sie sich auf, wenn es Ihnen einmal besser ergeht. Sie werden sehen, die Abschnitte werden immer grösser.


Wie können Sie uns als Angehörige und Freunde helfen?

Es ist für Angehörige und Freunde oft nicht nachzuvollziehen, was eine Depression eigentlich ist. Versuchen Sie als Erkranker daher, es ihnen soweit als möglich zu erklären, geben Sie ihnen Bücher, Schriften darüber, damit sie sich eingehend mit der Krankheit befassen und auseinandersetzen können.

Sie als Angehörige und Freunde können uns mit Ihrer Hilfe unterstützen und tragen, indem Sie:

  • Ein verständnisvoller, geduldiger Zuhörer sind.
  • Den Weg mit dem Kranken bzw. neben ihm gehen, ihn zu nichts zwingen, sondern einfach nur bei ihm sind und ihn mit Ihrem Verständnis und Ihrem Zuspruch auf einen Weg führen.
  • Ihn unterstützen und ermutigen, aber auf keinen Fall unter Druck setzen. Was nicht geht, geht nicht. Nicht nur kleine Schritte, sogar winzige Schritte sind ein Erfolg.
  • Nicht versuchen, den Kranken krampfhaft aufzuheitern und ihm nicht raten, sich zusammenzureissen, sondern seine Situation und sein Verhalten ernstnehmen.
  • Klare, eindeutige Vorschläge machen und ihm Entscheidungen abnehmen. Entscheidungen sind in der Depression fast unmöglich, wirken überfordernd.
  • Die ärztliche Behandlung unterstützen.
  • Selbsttötungs-Äusserungen ernst nehmen.


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